Michelin ist mit Reifen für Personenwagen und Lieferfahrzeuge europaweit voll im Plan

Die Betrachtung einer Vielzahl nationaler Märkte gehört bei Michelin sowieso der Vergangenheit an. Europa setzt sich zusammen aus den der Gewichtigkeit nach hier genannten acht Regionen Frankreich (1), Deutschland/Österreich/Schweiz (2), Italien/Griechenland (3), Spanien/Portugal (4), Vereinigtes Königreich/Irland (5), Zentral-/Osteuropa inklusive Staaten der Ex-UdSSR (6), Benelux (7) und Skandinavien inklusive Finnland (8). Die beiden letzteren Regionen sind mehr oder weniger gleich stark. Für jede dieser acht Regionen ist ein so bezeichneter Area Managing Director ernannt, in Deutschland ist das Patrice Kefalas. Es geht um die Vermarktung von Pkw-Reifen – wie es Michelin-intern heißt – der ersten, zweiten und dritten Linie, also um Michelin, BFGoodrich und Kleber sowie um alle anderen Associated Brands (Privat- und Hausmarken) des Konzerns. Die Einteilung in Regionen zum Beispiel hat weitere Kostensenkungen ermöglicht und zur Stärkung im Wettbewerb beigetragen. Der Markt Auf dem hier beschriebenen europäischen Reifenersatzmarkt werden insgesamt nach allgemeinen Markteinschätzungen etwa 190 Millionen abgesetzt. Die in Europa produzierenden Hersteller Michelin, Continental, Bridgestone/Firestone, Pirelli, Goodyear, Cooper, Nokian und Vredestein melden ihre Zahlen in einen Pool. Diesen etwa 165 bis 170 Millionen Reifen sind ca. 23 bis 25 Millionen weitere Reifen von Herstellern aus dem nahen und fernen Osten – so u. a. Yokohama, Toyo, Hankook, Kumho – hinzuzählen. Ob und ggf. wieviel Reifen an der hier in Rede stehenden Zielzahl von 190 Millionen fehlen werden, entscheidet sich erst in allerletzter Minute, weil vieles davon abhängt, wie das Winterreifengeschäft verläuft und ob die auf hohen Lagerbeständen sitzenden und vorsichtig gewordenen Reifenhändler noch in nennenswertem Umfang nachordern müssen. Momentan deuten die bisher bekannten Zahlen darauf hin, dass 2001 rund zwei Millionen Pkw-Sommerreifen mehr als im Vorjahr Absatz finden, der 4×4-Markt ebenfalls um eine knappe Million Reifen wächst, während der Van-Bereich leicht rückläufig bleiben könnte. Von den rund 41 Millionen Winterreifen des Vorjahres ist der Markt derzeit aber noch geschätzte sechs Millionen Stück entfernt. In diesem europäischen Markt sieht sich Michelin jedenfalls mit einem Marktanteil von gut 24 Prozent – auf die Spitzenmarke Michelin entfallen 17 Prozent davon – in deutlicher Führung. Auf den Plätzen folgen die Marken des Goodyear-Konzerns inklusive Dunlop, der im laufenden Jahr Marktanteile verlor. Ferner die Marken des Continental-Konzerns, Bridgestone/Firestone sowie Pirelli. Weitere Einzelheiten sind dem Schaubild 1 zu entnehmen. Einen nur ungefähren Überblick liefert auch das Schaubild 2. Hier wird der Versuch unternommen, etwas über Markteinfluss in Erfahrung bringen zu können. Und das lässt sich u. a. auch daran erkennen, welche Preise der Reifenfachhandel im Verkauf an Endverbraucher erzielen kann. Wenn man Michelin auf Basis 100 setzt, erkennt man, dass Führungsmarken anderer Konzerne wie Continental, Goodyear, Dunlop, Pirelli durchweg auf Basis 80 bis 85 landen. Jedenfalls Sommerreifen. Bei Winterreifen ist dies anders, da liegen diese Marken europaweit in etwa auf einer Ebene, was sich wiederum daraus erklärt, dass Michelin in dieses Segment erst spät hineingekommen ist und Nachholbedarf schon geltend gemacht hat. Zur weiteren Interpretation der Ergebnisse der Marken aus der zweiten wie dritten Linie ist noch einmal der Hinweis erforderlich, dass es sich um Preise Handel an Verbraucher handelt und die Preise in einigen Regionen durchaus schwanken. Nicht gezeigt werden im Schaubild Privatmarken, die von Großhändlern im Sortiment geführt werden. Dafür ist die Bedeutung europaweit jeweils zu gering und die Schwankungen sind zu groß. Allgemein lässt sich aber feststellen, dass die Verkaufspreise der Hersteller relativ niedrig sind, während sich die Vermarkter ihrerseits um bessere Preisumsetzungen im Markt intensiv bemühen und somit auf ein Niveau kommen können, das über dem der Billigmarken liegt bzw. liegen kann. Neueste Entwicklungen für Michelin Nach den Worten von Vincent Rousset-Rouvière gewann Michelin bereits im letzten Jahr etwa einen Punkt Marktanteil europaweit hinzu und wird das für 2001 ein weiteres Mal melden können. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, ist indessen ziemlich gewaltig. Besonders erwähnenswert und erfreulich für die Franzosen dürfte sein, dass ein halber Marktanteilspunkt von der Spitzenmarke Michelin errungen wurde und sich der andere halbe Prozentpunkt im Wesentlichen zwischen BFGoodrich und Kleber entscheidet. Doch mit der Zählung von Reifen springt man schnell zu kurz. Michelin kommt es darauf an, in ertragsstarken Segmenten überdurchschnittlich zulegen zu können. So im H/V/Z-Bereich, aber auch bei Winterreifen. Dass die Franzosen in der Lage waren selbst in diesem Jahr mehr Winterreifen als im Jahr zuvor absetzen zu können, bestärkt sie, auf dem richtigen Weg zu sein. Es ist und bleibt erklärtes Ziel, erstens mit den Flag Brands – allem voran Michelin, dann BF Goodrich und Kleber – zu wachsen sowie zweitens in wichtiger werdenden Segmenten Wachstum zu erzielen wie bei 4×4- und Winterreifen statt bei einfachen "Brot-und-Butter-Reifen". Und das ist nicht ein auf ein Land begrenztes Ziel, sondern gilt europaweit. Tatsächlich ist dies mit einer solide erarbeiteten Strategie auch fast überall in Europa gelungen, denn Michelin hat es drittens verstanden, sich mit großen "Siegerkunden" zu verbünden, mit denen man jetzt und zukünftig den Weg gemeinsam zu gehen gedenkt. Der oben bereits erwähnte "weiche Punkt" heißt Skandinavien. Dort sind Reparaturmaßnahmen eingeleitet. Aber auch dort geht es um einen "Gesamtansatz", um ein Vollbild, wenn man so will. Die Strategie von Michelin ist nun mal nicht darauf ausgerichtet, mit aggressiven Preisen Marktanteile zu gewinnen, denn Preisveränderungen könnten alle Wettbewerber gleichermaßen und erforderlichenfalls von jetzt auf gleich vornehmen. Woraus entsteht ein solches Vollbild? Zum einen natürlich aus dem Produkt und der Produktpalette, dann aber auch aus Marketing- und Werbekampagnen, aus effektiven Kommunikationsbemühungen, mit denen die Marken immer mehr nach vorn gebracht werden, sowie aus einer möglichst exzellenten Zusammenarbeit mit den besten Kunden, den professionellsten Reifenhändlern in den Märkten. Und dass alles heute so ausgezeichnet funktioniert, das sollten die Michelin-Wettbewerber vielleicht doch nicht vergessen, liegt darin begründet, dass Michelin in alle diese Bereiche investiert hat und weiter investiert. Close the gap to Michelin Das ist, was alle Wettbewerber wollen: Den preislichen Abstand zu Michelin reduzieren. Wenn es denn erst gelungen sein sollte, dieselben Preise wie die Franzosen erzielen zu können, werden die Konzernkassen nur so überquellen, Manager mit Boni steinreich und das Füllhorn mit Dividenden wird über die Aktionäre ausgeschüttet. Im Grunde denken viele so, vielleicht nur nicht ganz so blauäugig. Wer so denkt, tut gut daran, sich weiter mit der Michelin-Strategie zu beschäftigen. Die heute Verantwortlichen haben irgendwann vor Jahren erkannt, nicht allein im Markt zu sein. Händler und Kunden konnten sich freuen, um es sehr überspitzt zu formulieren, Reifen aus dem Michelin-Konzern bekommen zu können. Nichts ist mehr so wie es mal war. Michelin schaut auf den Verbraucher, hört dem Händler zu, analysiert genau, was die Wettbewerber tun und man sorgt sich heute mehr denn je, auch in kleineren Segmenten kräftig mitmischen zu können. So viel ist doch offensichtlich: Wenn es preisliche Abstände noch gibt und Michelin-Konkurrenten dennoch Gewinne erzielen, müssten die Franzosen entweder im Geld schwimmen oder sich eingestehen, dass ihre Kosten zu hoch waren und vielleicht noch zu hoch sind. Somit geht es auch bei Michelin um Kostenreduzierungen, allerdings wohl wissend, dass Kostenreduzierung jedenfalls keine Strategie sein kann. Die Pkw-Division von Michelin will 25 Prozent Marktanteil auf Europas Ersatzmärkten und sie will dies erreichen durch eine Verbesserung der Effizienz, durch Erreichung einer Fill Rate von 90 Prozent und last but not least auch durch Kostenreduzierungen. Ganz oben auf der Agenda steht natürlich weiter, das Markenbewusstsein zu stärken und zwar sowohl für Michelin als auch für die weiteren "Flag Brands" BF Goodrich und Kleber. Und eine große Marke braucht eine gute Präsenz in der Erstausrüstung. Zwar ist das Erstausrüstungsgeschäft, so Rousset-Rouvière gegenüber der NRZ, nicht in Verlusten, aber nur allein mit Erstausrüstungserträgen könnte jeder Reifenhersteller die Tätigkeit einstellen. Nach seinen Worten geht es heute um eine optimale Abstimmung. Dass Michelin Stückzahlen z. B. im Renault-Geschäft gegenüber Continental verloren hat, will er nicht bestätigen, aber wenn es denn so wäre, dann könnte es durchaus daran liegen, dass man nicht mehr jeden Brot-und-Butter-Reifen liefern müsse, sondern sich einfach mehr auf die größeren Autos auch bei Renault konzentriere. Es kommt halt darauf an, in den richtigen Segmenten den besten Anteil zu haben. So kann Michelin auch auf eine neue Partnerschaft mit Porsche verweisen. Wenn man Erstausrüstungsgeschäfte heute als Investition beschreibe, so gehe es nicht darum, etwaige Verluste zu bemänteln, sondern man verstehe Investition in diesen Fällen als eine für den gesamten Konzern, als Beweis seiner Leistungsfähigkeit, denn wer starker Partner von Volkswagen, Mercedes, BMW, Toyota, Renault etc. sei, müsse einfach wettbewerbsfähig sein. Geheimnisse um Viborg? Man kann mit keinem Michelin-Manager ein Gespräch führen, ohne nach dem Verhältnis zur Viborg-Gruppe gefragt zu haben. Nein, Michelin hat keine Anteile an Viborg, da ist die Aussage sehr klar. Rousset-Rouvière: "Wir sind Hersteller von Reifen. Wir haben Anforderungen der Kunden, hier der Verbraucher, zu erfüllen. Unsere Anstrengungen gehen dahin, die besten Reifen sehr effizient herzustellen, die Effizienz der Marken zu erhöhen, Image zu bilden, Markenimage zu steigern, um die Führerschaft im Markt zu behalten. Darin müssen wir exzellent sein. Wir haben eine Mehr-Marken-Strategie und wir müssen und werden weiterhin Kosten reduzieren. Wir haben das, was man heutzutage als Supply Chain bezeichnet, zu verbessern. Unsere Fill Rate (sofortige Lieferfähigkeit) von derzeit 80 bis 85 Prozent wollen wir auf 90 Prozent verbessern. Derzeit haben wir noch immer zu hohe Vorräte, mehr als viele unserer Wettbewerber. Und ob man einen 24-Stunden-Service wirklich braucht, wollen wir gelegentlich mal in aller Ruhe diskutieren. Im Übrigen liegen unsere Kosten, um einen Reifen von A nach B zu transportieren, immer noch zu hoch im Vergleich mit einigen Wettbewerbern. Wir haben immer noch zu viele Fabriken, zu viele Läger und auch zu viele kleinere Kunden, die wir direkt beliefern statt dies zusammen mit Partnern zu tun, die das kostengünstiger können als wir. Darauf müssen wir unser Augenmerk richten. Wir haben eine Vision, aber eben eine nicht abgehobene, sondern eine, die uns mit beiden Beinen auf der Erde belässt." Formel 1 statt Händlerakquisitionen Die Entscheidung, in die Formel 1 zu gehen, mag nicht leicht gefallen sein, denn sie kostet das Unternehmen viel Geld, konkret: einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Und zurückkommend auf die Viborg-Frage setzt Rousset-Rouvière fort: "Als Stinnes zum Verkauf stand, ist Michelin natürlich auch gefragt worden. Wir haben nein gesagt wie andere Hersteller auch. Wir hätten das Unternehmen kaufen und hunderttausend oder etwas mehr Michelin-Reifen in Deutschland zusätzlich verkaufen können mit der weiteren Folge, dass wir möglicherweise gezwungen gewesen wären, später auch Verluste zu finanzieren. So aber haben wir einen hohen Betrag für die Teilnahme am Formel 1-Geschehen bezahlt. Das Echo hat uns selbst überrascht. Wir haben der gesamten Sportwelt zeigen können, dass und wie wettbewerbsfähig wir sind. Und wir werden das weiter tun und im nächsten Jahr hoffentlich noch mehr Erfolge einfahren können. Ob wir die hohe positive weltweite Resonanz wiederum haben werden, weiß ich natürlich nicht. Bis heute aber hat das Formel 1-Engagement sich im Hinblick auf Brand-Equity völlig ausgezahlt. Das Image der Marke konnte nicht allein in Kanada, Lateinamerika, Asien und natürlich Europa gestärkt werden. Das lässt sich relativ neutral feststellen. Die Akzeptanz der Marke Michelin ist zum Beispiel in Kanada, Japan und Brasilien heute weitaus höher als noch vor einem Jahr. Genau so wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern. Die Partnerschaft mit so wichtigen Konzernen Ford (Jaguar), Renault, BMW, Daimler-Benz und Toyota ist von größtem Wert. Wir verfolgen unsere Ziele weiter, wir beseitigen die schwachen Punkte, wir sind an einem möglichst kompletten Auftritt im Markt interessiert und erschweren es damit unseren Konkurrenten, unsere Erfolge einfach so kopieren zu können. Doch wir wissen, dass wir noch nicht am Ziel sind, wir weiter hart arbeiten müssen und dass sich immer wieder neue Möglichkeiten, so in Zentral- und Osteuropa, ergeben werden, die unserer vollen Aufmerksamkeit bedürfen. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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